Die Geschichte der SVO 1914 e.V.


vom Januar 1914 bis zum Februar 2008

von Georg Gruse

Die Gründung

Uhrtürmchen DICK MARIE Bereits Jahrzehnte vor der Gründung der Schützenvereinigung im Januar 1914, gehörte der Schießsport zu den bevorzugten Sportarten in und um Offenbach. So wurde zum Beispiel anlässlich eines großen Schützenfestes im Jahre 1885 der unvergessene und noch heute berühmte Uhrturm am Marktplatz, der im Volksmund liebevoll nur die "Dick Marie" hieß, von den ortsansässigen Schützen-Vereinen gestiftet.

Über vierzig Jahre war diese Uhr das Wahrzeichen des Marktplatzes, ehe sie 1927 dem Straßenausbau weichen musste. Die Offenbacher Luftgewehr-Schützen führten zu dieser Zeit hauptsächlich vereinsinterne Wettkämpfe auf fünf, sechs, acht und zehn Metern Distanz durch, die nur gelegentlich, etwa bei Freundschafts- oder Pokalschießen gegen andere Vereine eine willkommene Abwechslung erfuhren. Das genügte den Sportschützen auf Dauer natürlich nicht und so trafen sich im Januar 1914 mehrere Offenbacher Vereine um einen Verband oder, wie man damals sagte, einen Bund ins Leben zu rufen, dessen Hauptaufgabe es war, einheitliche Regeln zu schaffen und eine jährliche Vereins-, und Einzelmeisterschaft sowie diverse Pokalschießen durchzuführen.

Die Federführung bei diesem Treffen hatte Karl Lucke von der "Ersten BSG von 1906" (BSG ist die Abkürzung für ‚Bolzen-Schützen-Gesellschaft'). Heute ist nur noch überliefert, dass außer diesem Verein auch die "Schützen-Gesellschaft (SG) Gut Ziel 1902", die "SG 1907" und die "SG 1912" an der Gründung beteiligt waren. Als Einzelmitglieder sind aus der Gründungsversammlung nur noch Johann Zschech, Karl Kastner, Johann Sehring und Karl Seitz namentlich bekannt. Leider gingen in den Wirren zweier Weltkriege die gesamten Unterlagen der Gründung verloren, sodass die Namen weiterer Vereine und ihrer Mitglieder heute nirgendwo mehr zu finden sind. Insgesamt sollen es etwa um die zwanzig Vereine gewesen sein.

Schützenbruder Kaspar Übel, der der Schützenvereinigung bereits vor 1929 angehörte, erinnerte sich 1974 als älterer Herr in einem Gespräch mit mir, nur an die vorgenannten Vereine. Die näheren Umstände der Gründung kannte auch er nur aus Erzählungen von Leuten, die dabei waren.
Von den Vereinen, die die SVO gründeten, existierte "Gut Ziel 02" am längsten, nämlich bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Die Offenbacher Schützen sahen sich schon immer als reine Sportler, ohne militärische Basis und wollten sich von vornherein klar gegen die soldatisch traditionellen Schützenvereine, die es überall im Reichsgebiet gab, abgrenzen. So wurden die Vereine von einem Vorsitzenden repräsentiert und nicht, wie bis heute bei Großvereinen allgemein üblich, von einem Hauptmann. Ebenso wurden Uniformen und Orden strikt abgelehnt.

Statt Orden verlieh man Bronze-, Silber-, und Gold-Nadeln, wie sie dann auch der viele Jahre später gegründete "Deutsche Schützenbund" eingeführt hat.
Lediglich die Ringzahl zur Erreichung dieser Auszeichnungen wurde von der Schützenvereinigung nach dem zweiten Weltkrieg den besseren Gewehren und den damit auch automatisch besseren Ergebnissen angepasst. Die Nadeln, damals noch versilbert und vergoldet, sind seit Mitte der Neunzehnhundertsechziger Jahre nur noch aus massivem Silber und Gold.

Bei der Gründung der Vereinigung wurde die Distanz von fünf Metern allgemein eingeführt, damit konnte in fast jeder Gaststätte mit Kolleg ein Schießstand aufgebaut werden, zumal damals nur eine Schießbahn benötigt wurde. Auch die in dieser Zeit allgemein üblichen Zwölfer-Zielscheiben wurden vereinheitlicht und sind, abgesehen von Korrekturen der Ringabstände und der Größe des Zwölferpunktes, bis heute nahezu unverändert im Gebrauch. Die Korrekturen waren notwendig geworden, weil durch vormalige ungenaue Mess-Methoden die Ringabstände unterschiedlich groß waren.
Gemeinsam mit der offenen Visierung (Verbot des Diopters), und der Fünf-Meter-Distanz, sind diese Zwölfer-Scheiben bis heute das Haupt-Unterscheidungs-Merkmal der SVO vom Deutschen Schützenbund.

Da die Gewehre der Vorkriegszeit noch einen glatten Innenlauf hatten, musste bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit "Bolzen" geschossen werden. Bolzen waren kleine, spitze Metallgeschosse, Kaliber 4,5mm, deren Flug-Stabilität durch kleine Federbüsche am hinteren Ende erreicht wurde.
Wie Kaspar Übel berichtete, kam es damals nicht selten vor, das von einer Packung gekaufter Bolzen mit 100 Stück Inhalt, nur zwei oder drei benutzt werden konnten, da die anderen durch unpräzise Gussformen "krumm" waren und im wahrsten Sinne des Wortes um die Ecke flogen. Man konnte die brauchbaren Geschosse meist mehrfach verwenden, doch ihre Lebensdauer war sehr begrenzt. Erst als Waffenhersteller, wie Diana, Walther, Anschütz, Weihrauch oder Feinwerkbau, Luftgewehre mit gezogenen Läufen anboten, die die zwischenzeitlich eingeführten "Diabolos" in eine Drehung um die eigene Achse, den so genannten "Drall", versetzten, um die nötige Flug-Stabilität zu erreichen, wurde ein wirklich zielsicheres Schießen möglich.

Das Kaliber 4,5mm ist bis heute das Gleiche geblieben, ebenso wird noch immer mit Luftdruck-Gewehren geschossen, die die Hersteller bis heute allerdings zu hochtechnischen, zielgenauen und rückschlagfreien Präzisions-Sportgeräten weiter entwickelten.

Die circa zwanzig Vereine, die im Januar 1914 zusammen gekommen waren, wurden sich schnell einig und nannten den Dachverband fortan: "Freie Zimmer-Schützen-Vereinigung, gegründet 1914". Schnell waren sie sich über die Satzung und einheitliche sportliche Regeln einig. Sie beschlossen die Förderung der Geselligkeit als zweites wichtiges Standbein neben dem Schießsport, mit in die Statuten aufzunehmen.
Schon am 12. und 13. Juli 1914 veranstaltete die neue Vereinigung in den Räumen des alten Schießhauses in Offenbach ein Sommerfest mit "Bundes-Schießen". Bundes-Schießen nannte man damals Schießsport-Wettkämpfe, die über den vereinsinternen Rahmen hinausgingen und von einer übergeordneten Organisation wie in diesem Falle der Schützenvereinigung (dem Bund) ausgerichtet wurden.
Als Sieger dieses Schießens ist Adam Stegmüller von der "SG 1907" überliefert. Er wurde gleichzeitig zum ersten Schützenkönig proklamiert. Leider ist ein Ringergebnis nicht mehr bekannt.